Meine Sommerpause ist vorüber, ab und an werdet ihr nun wieder Besprechungen von mir zu lesen bekommen, und damit fangen wir auch gleich an:
Jasmine Archer Auf die harte Tour
»Auf die harte Tour« ist klassische Ein-Hand-Literatur mit vielen SM-Szenen im sonnigen Los Angeles.
Auffällig fand ich, dass alle vorkommenden Frauen zu schier endlosen Orgasmen fähig sind.
Das Geschriebene ist für meinen Geschmack deutlich zu schwülstig, aber wer Formulierungen wie folgende mag,
wird hier gut bedient: »Es kam ihr explosionsartig. Orgasmische Wellen durchfluteten sie, und ihr Saft quoll über.
Es war ein lang anhaltender Orgasmus, ein Tribut an die Kunstfertigkeit eines Meisterpeitschers ...«
Jasmine Archer Auf die harte Tour
EUR 7,90
Saskia Weißer Stille Tage in Roissy
Gleich zwei Bücher zur oft glorifizierten 24/7-Lebensart sind diesmal dabei:
Saskia Weißers erster Roman »Stille Tage in Roissy« (von ihr sind die Kurzgeschichten »Scipia,
Sklavin der Römer«) ist eine Hommage an Roissy.
Gut gefallen hat mir der Krimieinstieg, schließlich hat sich wohl fast schon jede/r mal dem Gedanken darüber
hingegeben, verantwortungslose Doms und Domsen doch irgendwie per Selbstjustiz dauerhaft aus der Szene zu entfernen,
um weiteren Schaden durch sie zu vermeiden.
Wie schon bei Scipia überzeugt mich allerdings Saskia Weißers Schreibstil nicht besonders. Auch das ewige
Herunterbeten der These, dass die einzig wahre Erfüllung einer jeden Frau als Sklavin eines starken Mannes zu finden
sei, hat mich beim Lesen eher gelangweilt. Aber es gibt sicher auch Herren und Sklavinnen, die das nicht oft genug
hören können. Diese werden die Lektüre sicher mehr genießen als ich :-).
Saskia Weißer Stille Tage in Roissy
EUR 19,00
Simone Maresch Appolonias Welt
Endlich in Buchform ist nun »Appolonias Welt« von Simone Maresch (bestens bekannt als Appolonia) erschienen.
Ich muß gestehen, dass ich die gleichnamige Fortsetzungsgeschichte in den SZ nicht gelesen hatte. Ich warte nun mal
nicht gerne, deswegen mochte ich auch das offene Ende des Buches und die Aussicht auf mehr nicht so sehr.
Dafür hatte ich, was die Geschichte anbelangt, jetzt den vollen Lesegenuß. Auch hier geht es um 24/7,
allerdings ohne freiwillige Basis und äußerst brutal umgesetzt. Sogenannte Aufgreiftrupps von Frauen
kidnappen nichtsahnende Männer, verschleppen diese dann in ihre unterirdische Stadt und setzen sie dann einem
knallharten Umerziehungsprogramm aus. Allerdings sind nicht alle Frauen, die die Annehmlichkeiten durch ihre und
die stadteigenen Sklaven nutzen, der Meinung, dass so ein kompromissloses Vorgehen wirklich vonnöten ist und
alle Männer minderwertig sind.
Ich bin ja nun bekennender Fan der Schreib- und Erzählweise von Simone Maresch.
Ich mag ihren Umgang mit Worten genauso, wie ich ihre klugen Geschichten und die genaue Beobachtungsgabe für
Stärken und Schwächen ihrer Mitmenschen schätze. Intelligente SM-Literatur, bei der die Geilheit
nicht zu kurz kommt *schwärm*.
Ich würde uns SM-Menschen mehr solche Autoren wünschen.
Simone Maresch Appolonias Welt
EUR 18,00
Marcel Feige Die Wa(h)re Lust
Eher enttäuschend fand ich das neue Buch von Marcel Feige. So sehr ich seine gut recherchierten Sachbücher
schätze, so sehr habe ich in »Die Wa(h)re Lust« den roten Faden vermisst. Hierbei handelt es sich um
eine reine Interviewsammlung. Sicher sind interessante Erfahrungen und Meinungen von Menschen aus der Sexbranche
(Prostituierte, Zuhälter, Freier ...) dabei, dennoch erschien mir das Ganze beim Lesen einfach lieblos
aneinandergeklatscht.
Marcel Feige Die Wa(h)re Lust
EUR 9,90
Micha Schulze und Christian Scheuß Fremdgehen macht glücklich
Bei meinen schwulen Freunden derzeit heiß diskutiert wird das Buch mit dem bewusst provokanten Titel
»Fremdgehen macht glücklich«. Obwohl die vielfältigen Möglichkeiten zum anonymen
Sex rege genutzt werden, scheint eine offene Beziehung auch bei schwulen Paaren nach wie vor ein Thema zu sein,
dass selten offen zur Sprache kommt. Auch hierbei handelt es sich um Erlebnisberichte, Wiedergabe von
Lebenseinstellungen oder Interviews. Aber die Zusammenstellung ist spannend, die Möglichkeiten der
persönlichen Lösungen sind vielfältig, und die Aussagen sind teilweise verblüffend.
Fand ich wirklich interessant. Mit Ansätzen, die zu ungewöhnlichen Diskussionen anregen.
Micha Schulze und Christian Scheuß Fremdgehen macht glücklich
EUR 9,90
Eure Bee
Bücher
Nach langer Abstinenz hier mal wieder ein paar Anmerkungen von mir zu Neuerscheinungen.
Apollonia und Armin Ja, so is dat
Zuerst möchte ich euch mal die Doppel-CD »Ja, so is dat« vorstellen. SM-Comedy vom Feinsten.
Was Apollonia und Armin da zum Besten geben, haben die einen oder anderen von euch ja sicherlich schon live gehört.
Ich selbst kannte bisher nur Auszüge. Als ich neulich auf der Rückfahrt von Berlin war,
habe ich mir mit diesen augenzwinkernden Geschichten und Begebenheiten aus dem »SM-Alltag« die Zeit
lachend vertrieben. Ob nun »Sör Kalle« oder »Leedy Jennifer«, die liebevoll
überzeichneten Figuren, die wir alle zu kennen scheinen, lassen uns mal über uns selbst amüsieren,
zeigen uns unsere kleinen Bizarrien und spielen mit liebgewordenen Klischees. Dass die Vortragenden manchmal selbst
lachen müssen, macht die CDs besonders sympathisch, auch wenn mir eine Studio-Aufnahme besser gefallen hätte.
Jedenfalls: Prädikat »besonders empfehlenswert«
Apollonia und Armin Ja, so is dat Doppel-CD mit ausführlichem Textheft
EUR 19,95
Thomas van de Scheck Cuts
In der Ausgabe 76 haben wir ihn in unserem Kunst-Portfolio vorgestellt, und daher freuen wir uns, dass er jetzt endlich
ein Buch mit herausgebracht hat. Thomas van de Scheck zeigt in »Cuts«, dass er nicht nur begnadete Bilder
inszenieren kann, sondern auch, dass diese Bilder kleine Geschichten erzählen. Geschichten von heimlichen Träumen,
schöner Fremdheit und verwirrender Sinnlichkeit. Manchmal verstörend, manchmal entlarvend spielt van de Scheck
mit den Klischees erotischer Bildwelten, ohne dabei seine weiblichen Modelle bloßzustellen. Sie sind niemals Opfer
seines Blickes, sondern diejenigen, die komplizenhaft in ein gemeinsames Spiel mit dem Fotografen einsteigen.
Ziemlich genial!
Thomas van de Scheck Cuts 210 Seiten, vierfarbig
EUR 29,80
Anna Rose My Love – Diary of a Loving
Eigentlich bin ich ja der falsche Mann, um ein Buch wie dieses zu besprechen: Es geht um D/s und auf vielen Bildern um Latex.
Aber in diesem Falle fällt es mir leicht, lobende Worte zu finden, schließlich war es kurzzeitig im Gespräch,
ob nicht wir dieses Buch rausbringen könnten. »My Love – Diary of a Loving SM Relationship«
ist in erster Linie ein wunderschön und liebevoll gestaltetes Fotobuch mit teilweise ganzformatigen Bildstrecken.
Und gleichzeitig ist es die berührende Liebeserklärung einer Sklavin an ihren Herrn. Auch wenn die Texte auf
Englisch sind, so wird dieses Buch sich gerade in D/s-Beziehungen als Weihnachtsgeschenk oder auch als das,
wie es gemeint ist – als Liebeserklärung eben – gut verschenken lassen.
Anna Rose My Love – Diary of a Loving
SM Relationship 120 Seiten, vierfarbig
EUR 39,00
Yasuji Watanabe Tokyo Girls
Natürlich hat man mir dieses Buch auf den Schreibtisch gelegt: »Tokyo Girls«. Yasuji Watanabe,
ehemaliger Chefredakteur des japanischen SM-Magazins »SM-Sniper«, inszeniert hier Träume
japanischer junger Frauen. Mal in absurden Situationen, mal in erotisch eindeutigen Posen, aber immer mit
einem liebevollen Blick. Costume Play, Bondage, freie Räume bilden den Rahmen, in dem sich die Frauen
präsentieren, manchmal mit schamhaft abgewandtem Blick, häufig den Betrachter direkt anschauend.
Ein wunderschönes Buch für Japan-Liebhaber.
Yasuji Watanabe Tokyo Girls 180 Seiten, vierfarbig
EUR 49,90
Lisa Kuppler (Hg.) Bisse und Küsse 3
Und nicht zu vergessen – die lang ersehnten Fortsetzungen:
»Bisse und Küsse 3« (lesbische Sexgeschichten, deutlich und unterhaltsam)
Lisa Kuppler (Hg.) Bisse und Küsse 3
EUR 14,90
Jim Baker (Hg.) Hiebe und Triebe 3
– sowie »Hiebe und Triebe 3« (schwule Sexgeschichten, bei denen es wie immer zur Sache geht).
Jim Baker (Hg.) Hiebe und Triebe 3
EUR 14,90
So, das dürfte also genug zum Schauen und Lesen für die langen Herbstabende sein.
Und außerdem: Weihnacht droht.
Matthias
Rückkehr eines Klassikers:
Sina-Aline Geißler Lust an der Unterwerfung
1990, als die Welt – zumindest aus Sicht der Moral Majority – noch in Ordnung war, erschien ein Buch,
das wie eine Bombe einschlug: »Lust an der Unterwerfung« von Sina-Aline Geißler veränderte
das Selbstverständnis ungezählter Frauen, die zum ersten Mal lesen konnten, dass sie mit ihren
masochistischen Wünschen beileibe nicht allein standen, dass es keinerlei Grund gab, sich seiner Bedürfnisse
zu schämen und dass es wohl nicht einfach, aber durchaus möglich sei, diese in ein ganz normales Leben
zu integrieren.
Die Autorin, die alsbald auch den Stern-Titel zierte und sich heftigen feministischen Attacken ausgesetzt sah
(unter anderem wurde damals die Stern-Redaktion von empörten Frauen besetzt), beschreibt sehr persönlich
und nachvollziehbar ihre eigene Entwicklung und ergänzt sie durch die Lebensgeschichten anderer Masochistinnen.
Und noch heute, fast 15 Jahre danach, hören wir immer wieder von Frauen (und gelegentlich auch von Männern),
dass die Lektüre dieses Buches wie ein Befreiungsschlag gewesen sei, der Beginn des Coming-Outs und das Ende der
Scham – ein Klassiker also, der auch heute nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Um so schöner, dass sich der Moewig-Verlag entschlossen hat, das Buch, das jahrelang vergriffen war und antiquarisch
hohe Preise erzielte, wieder neu aufzulegen.
Sina-Aline Geißler Lust an der Unterwerfung 208 Seiten
EUR 8,95