Die Medienkritik aus Schlagzeilen 77


Multiple Medien
Geli
 Maria Beatty – Fetisch Films IILadies of the Night – Les Vampyres
 Marcus StigleggerSchwester mein
 Carlos Peron / WoschofiusDie 7 Todsünden
 Carlos Peron / Art Noir / Woschofius / PerlentaucherMondgesänge
 SamplerErotic music – Volume 1

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Michel


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Maria Beatty – Fetisch Films II
Ladies of the Night – Les Vampyres
Nach »The Elegant Spanking« und »The Black Glove« hat Maria Beatty zwei weitere ihrer älteren Video-Filme auf DVD herausgebracht. Wieder ist es ein cineastischer Hochgenuß, die umgesetzten Phantasien Maria Beattys zu betrachten. »Ladies of the Night – Les Vampyres« (2000) ist eine kleine Vampirgeschichte in verloren geglaubter Stummfilm-Manier. Kleine Texte, schnörkelig umrahmt, werden eingeblendet, der Film flackert in fleckigem Schwarzweiß, als sei die Rolle schon viele Male gespielt worden, und das eindringliche Pianospiel entführt uns in die Frühzeit des Films.
Es dämmert. Ein schüchternes Schulmädchen geht eine verlassene, mit Kopfstein gepflasterte Straße entlang. Sie fühlt sich verfolgt und blickt sich ängstlich um. Im Hintergrund droht das alte Schloß auf einem Berg.
Die Kleine (gespielt von Maria Beatty selbst) erwacht – an einen großen geschnitzten Thron gefesselt – im von Kerzen beleuchteten Saal des Schloßes. Zwei mysteriöse weibliche Nachtgestalten, alterslos schön und tödlich, untersuchen ihr neues Spielzeug. Sie hänseln, quälen und verführen ihr junges Opfer, spielen mit ihm. Mehr und mehr umgarnt, gibt sie sich dem Spiel hin. Es fallen die Bluse und der Rock, der weiße Slip. Nur in Schnallenschuhen und weißen Strümpfen erträgt sie in der Folterkammer die Schläge mit Flogger und Paddel. Der Hintern färbt sich, und die Kleine windet sich in den Ketten. Als der Morgen naht, ziehen die beiden eng geschnürten Ladies (gespielt von Mistress Dakota und Mistress Tchera) noch einmal alle Register. Lange metallene Fingernägel und Dildos arbeiten sich zu dem krönenden Morgenmahl vor. Allein zurückgelassen, blutverschmiert, vollzieht sich die Metamorphose des glücklichen Opfers zur nächsten Lady of the Night.
Sinnlich und schön, üppig in der Ausstattung ist auch dieser Film ein Kleinod der Erotik, ein Meilenstein in der Welt des Fetischfilms. Nicht umsonst wurde der Film 2001 beim AVN Award für das beste »Special Tape« nominiert. 32 Min.
Bei »Let the Punishment fit the ...« (1997) machen wir einen Zeitsprung in die 50er Jahre. Betty Page läßt grüßen. Der Plot des Films ist auch hier ein Age-Play. Die Akteurinnen spielen »Mutter und Tochter«. »Akteurinnen« setze ich in Anführungsstriche, da Mommys Gesicht und in einigen Szenen die Bewegungen mir doch recht männlich erscheinen.
»Mommy« macht sich, das Bild des Vaters in Uniform auf dem Schminktisch, im Schlafzimmer fertig, während ihre Tochter (Maria Beatty) durchs Schlüsselloch zusieht. Langsam schließt sich das mit kleinen Schleifchen verzierte weiße Mieder, die Strümpfe werden hochgezogen und der enge Hüfthalter zurechtgezupft. Der Mund bekommt eine dicke Schicht Lippenrot. Die Kleine bürstet ihrer »Mutter« das blonde Haar, macht es aber nicht richtig. »Mommy« legt sie übers Knie und verdrischt ihr den Hintern mit der Haarbürste. Die Beine strampeln, die weißen Socken rutschen. Zwischenblenden: Maria malträtiert ihre Puppen mit Nägeln, bricht Arme und Beine ab ... Nach der Tracht streift »Mommy« der Kleinen das Höschen runter und pudert den roten Po. Dann zieht sie sich fertig an, geht und schließt Maria ein.
Die Schlüsselloch-Perspektive, das Beobachten von Verbotenem reizt uns genauso wie die kleine Maria. Wir kommen der Welt der Erwachsenen, kommen den Fetischen auf die Spur. Viele haben ihre ersten sexuellen Phantasien im Otto-Katalog beim Betrachten der Miederseiten ausgelebt. Perücke und Haarbürste, die Schulmädchenuniform und die Spangenschuhe, Lippenstift und Wimperntusche, die Klapse auf den Po und dann die zärtlich pudernde Hand – die Kamera, die Aufnahmewinkel, die langen Einstellungen – machen daraus Fetische. Eine surrealistische Reise im Stil von Bunuels »Der andalusische Hund«. 22 Min.

Maria Beatty – Fetisch Films II
Ladies of the Night – Les Vampyres
Let the Punishment fit the ...
DVD
EUR 29,00






Marcus Stiglegger
Schwester mein
Ein cineastischer Appetithappen der besonderen Art: Erst in diesem Jahr ist »Schwester mein«, ein Kurzfilm von Marcus Stiglegger, fertig geworden. Der Regisseur, seines Zeichens Filmwissenschaftler, Autor und Filmemacher, und die Cutterin Melanie Dietz haben einen kurzen, harten Film geschaffen, der sich wie ein Puzzle, wie ein Rätselspiel verhält. Auf der Seite des Filmmagazins Ikonen steht dazu: »Der Kurzfilm beginnt mit den typischen Zutaten eines modernen Film noir. Die Ausgangssituation ist geradezu klassisch: ein Mann auf der Suche nach der Vergangenheit (hier: nach seiner verschollenen Schwester), die zur Suche nach seiner eigenen Identität, seinen eigenen Schattenseiten gerät. Es geht um Schuld, Verdrängung, Entfremdung, Einsamkeit. Im Zentrum der Geschichte steht ein Mord. Oder vielleicht doch nur an der Peripherie, denn die zentrale Sequenz dieses 17-minütigen Films ist die Konfrontation des Bruders mit der wahren Identität seiner Schwester, manifestiert in Form eines Underground-SM-Fetisch-Clubs, zu dem er sich Zutritt verschafft. Der Eintritt in diese fremde Welt ist inszeniert wie ein visueller und akustischer Überfall – plötzlich ist Farbe im Bild, dominiert von abwechselnden Rot- und Blautönen, die Schnittfrequenz steigt, Weißblenden und kurze Inserts – fast wie Subliminalbilder – spiegeln die Verstörung des Mannes. Eine SM-Performance (von der Frankfurter Szene-Gruppe »Die kleine Gruftschlampe«) zeigt die Begegnung von Menschen als ritualisierten Körperkult. Der Sound, passenderweise ein Industrial-Track mit Titel »Gille de Rais« des Mannheimer Musikers W. Herich, wirkt zu Beginn wie ein Hörsturz und trägt zur verstörenden Irritation ebenso bei wie die unruhig-bewegliche Kameraführung. Natürlich hat hier die transgressive Offenbarung Gaspar Noés Irréversible Pate gestanden, auch wenn Stigleggers Bilder eine ganz eigene, langsamere, ja teilweise fast meditative Ästhetik bilden.
Der Mann flieht letztendlich von diesem Ort, der ihm freilich wie die Hölle erscheinen muß, der aber eigentlich der einzige Ort von Begegnung und Nicht-Einsamkeit ist. Draußen wartet die kalte, ruhige, monochrom-urbane Welt – und ein totes Mädchen in Fetisch-Kluft, erschlagen und ausgestreckt auf ihrem Bett ...« Mehr bei www.ikonen-magazin.de ...
Es ist sicher keine DVD für diejenigen, die SM und Fetisch erwarten – oder zum Einhändiggucken. Ein Kunstfilm für Kunstbeflissene, für eine kleine Gruppe unter unseren Lesern, die sich hoffentlich freuen, von diesem Film auf diesem Wege erfahren zu haben.
Des weiteren sind auf der DVD enthalten: Trailer, Regiekommentar und Outtakes zu »Schwester mein«, die Video-Übung Traumspiel (1990) im Stil eines Fields-of-the-Nephilim-Clips und die Kurzfilme Male (1997), Opfer und New York (1989).

Marcus Stiglegger
Schwester mein
DVD
EUR 15,00






Carlos Peron / Woschofius
Die 7 Todsünden
Drei CDs – ein Gedanke: Hintergrund und Spielmusik für eine Session, für einen erotischen Abend zu haben. Wie jeder von uns sein SM in sehr unterschiedlichen Intensitäten lebt, ist natürlich auch die Musik, die dazu paßt, für jeden eine andere. Oder später oder im Moment ganz besonders, aber morgen nicht oder nur wenn ich oben spiele, aber nicht wenn ich unten bin, oder ...

Mit der ersten CD (Spieldauer 41:27) nehme ich Euch mit auf eine Reise durch die Todsünden. Carlos Peron, die Autorin Annie Sadeau und Woschofius haben dieses Projekt geboren. Annie Sadeau schrieb acht Kurzgeschichten zu den Todsünden, Woschofius setzte das Thema sowohl textlich als auch fotografisch um, und Carlos Peron wob den musikalischen Rahmen darum. Jeder Teufelsname steht für eine Todsünde.
Das Intro »Folge mir ...« tröpfelt mit einer einschmeichelnden Stimme verführerisches Gift in meine Adern. Dann stellt sich jeder der Teufel kurz mit seinem Namen und seiner Todsünde vor. Das nach ihm benannte Stück läßt ihn tanzen. Ich sehe sie vor mir: dick und behäbig, schwarz oder rot, klein und quirlig, gebuckelt und von ihrer Sünde zerfressen.
Belphegor – die Trägheit und Mammon – der Geiz lassen die Session ruhig beginnen, Luzifer – der Stolz (mit sehr schönen gregorianischen Hintergrundklängen) – und Asmodi – die Wollust steigern den Rhythmus. Gar nicht gefiel mir beim ersten Hören Leviathan – der Neid, weil durch das ganze Stück immer wieder »Der Leviathan« gesagt wird. Aber nach mehrmaligem Hören, mit geschlossenen Augen, eine Session planend, konnte ich mir sehr gut vorstellen, wie ich mein armes Opfer aus den Seilen löse, auf die Lederbank führe, dort festmache, um es dann zum langsamen und düsteren Satan – der Zorn mit Wachs oder spitzen Nägeln drangsaliere und ich dann bei Beelzebub – die Völlerei, temporeich die Vielschwänzige schwingend, um die mir Ausgelieferte tanze. Gern lasse ich mir von der Musik den Schlagrhythmus diktieren, ich spiele damit auf meinem eigenen Instrument. Wenn das Stöhnen mit den Klängen verschmilzt, ist es um so schöner.
Wieder umfängt mich diese betörende Stimme des Rezitators beim Abspann »Das Spiel beginnt ...«. Und sein Text leitet ein, was ich nun gleich ausgiebig mit meinem Opfer machen werde ...

Carlos Peron / Woschofius
Die 7 Todsünden
EUR 16,90






Carlos Peron / Art Noir / Woschofius / Perlentaucher
Mondgesänge
Die CD »Mondgesänge« ist ein Gemeinschaftsprojekt von Carlos Peron, Art Noir, Perlentaucher und Woschofius. Jeder der vier Künstler steuerte ein ca. 16-minütiges Musikstück bei. Da die Künstler keine Vorgaben bekamen, sind sehr unterschiedliche Stücke entstanden – musikalische Collagen, die sich vortrefflich als Hintergrundmusik zur Session und auch zum Chill-out eignen.
Die CD ist ein Stück Weltmusik durch die asiatisch-orientalischen Klänge; Filmmusik, die in die Welt von Isengard und den Elben entführt, ein Flug über das mondbeschienene Land im Stil von Koyaanisqatsi.
»Mondgesang« von Woschofius hat etwas von Sphärenmusik – die dunkle Fläche eines vom Mondlicht beschienenen Sees, Geräusche von den schwarzen Ufersäumen, Stimmen, Vogelgezwitscher. Ruhig und doch unheimlich. Bei »Thetys« von Art Noir höre ich das Schlagen der Turmuhr, Glocken, Gongs, hallende Stimmen: Die Schmiede in der Unterwelt wird angeheizt. Über Isengard ist schwarze Nacht und steht eine schmale Mondsichel. Der Flug über die Oberfläche geht weiter. Die Landschaft wird lieblicher, weicher – Elbenland. Obwohl »Im Tempel des schwarzen Mondes« von Carlos Peron den düstersten Titel hat, ist es für mich das lichteste, hellste Stück. Ich sehe Wasser, Tropfen, Lichtreflexe auf dem spiegelnden See. Bei »Mondfinsternis« von Perlentaucher werden vor meinem Auge die zweidimensionalen Zeichnungen in alten ägyptischen Königsgräbern lebendig und spielen ihre Geschichte von Intrige und Krieg.
Mir hätte eine andere Reihenfolge der Stücke besser gefallen. Aber trotz dieses kleinen Mankos (für mich) ist die CD wirklich eine gelungene Präsentation dieser vier Künstler. Hier hätte ich gern mehr davon.

Carlos Peron / Art Noir / Woschofius / Perlentaucher
Mondgesänge
EUR 16,90






Sampler
Erotic music – Volume 1
Noch ein musikalischer Leckerbissen erster Sahne ist die CD »erotic music – Volume 1«, die mir letzte Woche als Glücksgriff praktisch in den Schoß fiel. Na ja, ein netter Mensch brachte sie im Büro vorbei. Während unseres angeregten Gesprächs über »düt un dat« lief sie im Hintergrund, immer präsent, sanft anschmiegsam und einschmeichelnd. Und: Obwohl ich mein Gegenüber gar nicht kannte, entstand ein sehr intensives, nahes Gefühl. Die Musik? Er selbst? Meine Stimmung? Wer weiß. Sicher alles zusammen. Auf jeden Fall sind die eingängigen Lounge-Klänge ein musikalisches Aphrodisiakum, das sowohl in den eigenen vier Wänden als auch auf Partys gehört werden kann. Beim sanften Spiel, bei Bondage und Massage, dem Relaxen danach ... oder mitten dabei. To chill out & to turn on. ;-)
Die zwölf Titel führen die Zuhörer in über 75 Minuten vom sanften (musikalischen) Vorspiel zu treibenden Beats mit multiplen Höhepunkten, die nie verheimlichen, um was es geht, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Unter dem eindeutigen Titel vereinigen sich sechs norddeutsche Bandprojekte, die ihre Leidenschaft für elektronische Musik mit der anspruchsvollen Kunst der Verführung verschmelzen.
Bevor es sie irgendwo zu kaufen gibt, gibt es sie schon bei uns. Ich freue mich schon auf die nächsten Sampler.

Sampler
Erotic music – Volume 1
EUR 17,90




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