»Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.«
Der Erfolgsautor Leopold von Sacher-Masoch ist nicht nur einer der beiden (unfreiwilligen) Namenspatrone von uns Sadomasochisten, er würde vermutlich auch gut in die heutige SM-Szene passen. Und sein Roman »Venus im Pelz«, vor allem aber der Versuch des Autors, das Geschriebene mit aller Konsequenz in die Realität umzusetzen, würden bei uns sicher heftige Diskussionen über totale Unterwerfung, D/s und 24/7 auslösen. Ähnlich wie damals – im Jahr 1869!
Der vielfältig talentierte Müßiggänger Severin lernt in einem kleinen Kurort die schöne junge Witwe Wanda von Dunajew kennen, verliebt sich rettungslos in sie und offenbart ihr seine dunkle Sehnsucht: »Der Sklave eines Weibes, eines schönen Weibes zu sein, das ich liebe, das ich anbete.« Wanda nimmt ihn sich als Liebhaber. Und nach einigem Zögern schlüpft sie auch in die Rolle der grausamen Venus im Pelz: »Mein Geliebter! Ich will Dich heute und morgen nicht sehen und übermorgen erst am Abend, und dann als meinen Sklaven. – Deine Herrin Wanda.« Sie läßt Severin einen Sklavenvertrag unterschreiben und einen Abschiedsbrief, in dem er sich des Selbstmordes bezichtigt – damit sie uneingeschränkte Macht über ihn hat ... selbst die Macht, ihn zu töten. Anschließend nimmt sie ihn als Diener mit nach Florenz, wo sie ihn vollends zu ihrem Sklaven macht. Die anfangs Zaudernde wird zur Despotin, deren Taten selbst die ursprünglichen Träume des Sklaven übertreffen. Sie läßt ihn für sich arbeiten, sich von ihm bedienen, demütigt ihn, verbannt ihn wochenlang aus ihrer Nähe, holt ihn dann zu sich, um sich mit ihm zu vergnügen, läßt ihn von ihrer Dienerin fesseln und peitscht ihn aus. Schließlich spannt die Grausame ihren vor Eifersucht rasenden Sklaven sogar für ihre Beziehungsanbahnung mit einem anderen Mann ein, in den sie sich verliebt hat. Erst als der besitzlose und durch sein Ehrenwort gebundene Sklave kurz vor dem Selbstmord steht, gibt sie ihm – inzwischen ihres Spielzeugs überdrüssig – die Freiheit zurück.
In die Erzählung eingewoben ist eine kritische Auseinandersetzung mit der christlich geprägten abendländischen Kultur. Ein dichtes Geflecht aus Zitaten, Referenzen und Anspielungen, in dem sich die Venus nicht nur von ihrer sinnlichen Seite präsentiert, sondern zugleich durch eine unwiderstehliche Argumentation verführt, in der sie klassisches Bildungsgut gegen die christliche Doppelmoral ausspielt.
Der Roman ist im doppelten Sinne autobiographisch. Zum einen verarbeitet Sacher-Masoch darin real Erlebtes. So ist die Schlüsselszene zu Severins Sexualität eine wahre Begebenheit aus dem Leben des Autors: Im Alter von neun Jahren erwischt ihn seine Tante, als er sie bei einem Seitensprung beobachtet, und züchtigt ihn. »Aber ich muß doch zugeben, daß ich, obwohl ich mich unter den grausamen Schlägen einer schönen Frau wand, eine Art von Lust dabei empfand.« Zum anderen setzt Sacher-Masoch den Roman tatsächlich in die Realität um. Zwei Jahre nach dem Erscheinen der »Venus im Pelz« erhält er Post von einer Frau, die sich selbst Wanda von Dunajew nennt. Er heiratet sie und unterschreibt einen lebenslänglichen Sklavenvertrag bei ihr. Sie wird die Verwirklichung seiner Fiktion: Eine Despotin, die ihn bis aufs Blut peitscht, zu jeder Jahreszeit Pelze trägt, ihn Dienstbotenpflichten verrichten läßt, ihn zum Schreiben (zwecks Geldverdienens) einsperrt und ihn schließlich sogar mit anderen Männern betrügt. Nach Jahren scheitert die Ehe. Doch der Vertrag bleibt gültig! Wanda gibt Leopold (im Gegensatz zur Romanvorlage) nicht frei. Sie preßt ihn über Alimentezahlungen auch im Nachhinein noch wortwörtlich(!) bis aufs letzte Hemd aus. »Sie müssen arbeiten für mich wie ein Sklave, und wenn ich im Überflusse schwelge und Sie entbehren lasse und Sie mit Füßen trete, dann müssen Sie ohne zu murren den Fuß küssen, der Sie getreten.«
Die »Venus im Pelz« eignet sich aufgrund der vielen Dialoge sehr gut als Hörbuch. Und dem Diderot Verlag ist mit Hans Rudolf Spühler, der den Erzähler und Severin liest, sowie Kathrin Becker, welche die Wanda liest, eine hervorragende Umsetzung gelungen. Vor allem die Venus zieht den Hörer bisweilen hypnotisch in ihren Bann. Ihre heiter-herrische Stimme träufelt ihm die Rechtfertigung der Grausamkeit und Treulosigkeit des Weibes wie süßes Gift ins Ohr: »Je hingebender das Weib sich zeigt, um so schneller wird der Mann nüchtern und herrisch werden; je grausamer und treuloser es aber ist, je mehr es ihn mißhandelt, je frevelhafter es mit ihm spielt, je weniger Erbarmen es zeigt, um so mehr wird es die Wollust des Mannes erregen, von ihm geliebt und angebetet werden.« Das Begleitheft zum Hörbuch behandelt die Hintergründe des Romans und das Leben des Autors.
Leopold von Sacher-Masoch Venus im Pelz
Hörbuch, 4 CDs
EUR 24,90
Leopold von Sacher-Masoch Venus im Pelz
Das gedruckte Buch »Venus im Pelz« enthält neben dem Roman selbst zwei Sklavenverträge von Sacher-Masoch, Aufzeichnungen über eine Begegnung mit König Ludwig II. von Bayern (der genau wie Victor Hugo, Zola und Ibsen ein glühender Verehrer von Sacher-Masoch war) sowie eine Studie über Sacher-Masoch und den Masochismus von Gilles Deleuze.
Leopold von Sacher-Masoch Venus im Pelz
Taschenbuch, 278 Seiten
EUR 8,50
Regine Nössler Strafe muß sein
»Daher die Moral von der Geschichte: Wer sich peitschen läßt, verdient, gepeitscht zu werden.«
Hildegard und Henriette, die Hauptpersonen aus »Strafe muß sein« von Regina Nössler, sind seit zwölf Jahren ein Paar. Sie hassen und lieben sich gleichzeitig. Und sie tragen ihre Machtkämpfe bevorzugt sexuell aus – in einem Wechselspiel aus Gemeinheiten und Lust. Mal tut Henriette es mit einer anderen, wofür sie von Hildegard dadurch bestraft wird, daß sie ihrerseits fremdgeht. Ein anderes Mal hindert Henriette Hildegard nach einem Alltagsstreit mit körperlicher Gewalt daran zu gehen, fesselt sie und macht Sex mit ihr. Anfangs ist es eine Vergewaltigung, später verwandelt sich der Widerstand der Überwältigten in Lust. Und wieder ein anderes Mal wird Hildegard von ihrer Partnerin in der Küche verführt. Und als diese aufhört, sie zu verwöhnen, befiehlt sie ihr weiterzumachen. »Doch jetzt bettelte sie nicht, sondern sie befahl. In ihrer Beziehung zu Henriette war alles möglich, auch das Befehlen.«
Der Roman enthält viel ausgelassenen, hemmungslosen Sex, ohne dabei platt pornografisch zu werden. Die erotische Handlung ist in den Beziehungsalltag eingebettet. Die beiden Protagonistinnen werden mit all ihren Widersprüchen und Macken als ganze Menschen sichtbar: sympathische SM-Lesben – nicht nur Abziehbilder. Und gerade deshalb ist es so geil, wenn beschrieben wird, wie es ist, wenn sie Sex haben, wenn sie kommen, meinen überzulaufen, zu explodieren.
Regine Nössler Strafe muß sein
158 Seiten
EUR 15,50
Woschofius (Hrsg.) Tag- & Nachtwerke
Der von Woschofius herausgegebene Band »Tag- & Nachtwerke« enthält zwei Dutzend Kurzgeschichten verschiedener Autorinnen und Autoren, die inhaltlich in die Tag- und die Nachtwerke unterteilt sind. Die Tagwerke sind vergnüglich ironische Stories rund um SM und die SM-Szene: Da sind zum Beispiel die fiktiven Tagebucheinträge eines Online-Doms, der im Chat zwar superdominant ist, den die realen Treffen mit seiner Sklavin aus dem Chat dann aber doch etwas überfordern. Oder es wird eine Affäre mit einer fremden Mitreisenden im Zug geschildert, die sich im Nachhinein (leider) nur als Tagtraum des Ich-Erzählers herausstellt. Die Nachtwerke hingegen sind morbide, abgründige Erzählungen: beispielsweise die Geschichte einer Adligen, die zur Strafe für ihre grausamen Morde lebendig eingemauert wurde und über die Jahre in der Einsamkeit wahnsinnig geworden ist. Nun hockt sie in ihrem dunklen Verlies und wartet voll Vorfreude darauf, daß eine der Mägde, die ihr das Essen durch eine Luke in der Wand schieben, unvorsichtig genug ist, so weit hineinzulangen, daß sie ihre Hand greifen, mit einer Scherbe abschneiden und fressen kann. Oder man liest von einer Frau, die sich für viel Geld darauf eingelassen hat, sich zwei Tage lang einem Fremden auszuliefern. Der hat sie betäubt, verschleppt und an einen Gynstuhl gefesselt, welcher in einer allseitig verspiegelten Box steht. Er kann sie sehen – sie ihn nicht. Und der Faktor Zeit beginnt, bei der hilflos Ausgelieferten Wirkung zu zeigen.
Sowohl die Tag- als auch die Nachtwerke sind durchgehend kurzweilig und lesenswert.
»Erotic Bondage – Art of Rope« von Edward Lee ist das erste Buch des neuen Labels Mixofpix, welches der Goliath Verlag als Plattform für etwas gewagtere Fotos und eher unbekannte Fotografen gegründet hat. Es ist ein kleiner, fetter Bildband voll erotischer Schwarzweiß-Fotos, an denen zum einen die unglaubliche Kreativität fasziniert, mit der Lee seine Modelle fesselt, und zum anderen die Authentizität und Natürlichkeit der gefesselten Frauen. Lee zeigt die unterschiedlichsten Fesselungen – vom kunstvollen Bondage bis zur schnellen praktischen Gebrauchsverschnürung. Die Frauen werden mit den verschiedensten Materialien gefesselt: mit Seilen, Handschellen, Ketten oder einem Holzpranger. Mal sind es eher Aktfotos, mal kokettiert das Modell mit seinen Reizen, mal gibt es sich ganz seiner Lust, seinem Leid oder seiner Hilflosigkeit hin, und mal spielt es weltvergessen mit sich selbst. Der Bildband eignet sich nicht nur als Bettlektüre, sondern auch als Inspiration für eigene Bondage-Spiele.
Edward Lee Erotic Bondage – Art of Rope
159 Seiten
EUR 19,90