Das Vorweg (Vorwort) aus Schlagzeilen 77


Für mehr männliche Ehrlichkeit


N eulich stolperte ich beim Durchlesen neu eingegangener Kontaktanzeigen über eine Anzeige, in der es hieß: »Suche geiles Stück für harte SM-Spiele.« Bei uns im Verlag sinnierte man ausführlich darüber, ob so eine Anzeige überhaupt Erfolg haben könnte. Vermutlich eher nicht, war die einhellige Meinung. Im Spaß meinte ich: »Aber der sagt doch nur, was alle anderen auch wollen.« Na ja, wurde gemurmelt, das sei schon richtig, aber ...

Ja, aber was? Müssen Männer den Frauen verheimlichen, was diese ohnehin wissen? Müssen die Herren so tun, als ob sie ganz anders wären als die Männer, die nur das »Eine« wollen? Ist es wirklich erfolgversprechender, wenn ich nach dem ersten Kontakt meine Wünsche (denn die sind ja trotz blumiger Verschwommenheit in meiner Anzeige nicht verschwunden) Schritt für Schritt offenbare? Nicht daß ich hier der groben Direktheit das Wort reden will, aber manchmal überlege ich im Stillen, ob nicht manch einer dieser weichgespülten, eine Allround-Partnerin suchenden angehenden Sirs, Master und Diener sich einfach nicht mehr trauen, zu sagen, was sie wirklich wollen. Oder ist diese Art des – von Frauen schnell durchschauten – Versteckspielens schon der erste Teil eines komplizierten Balzrituals mit dem man die Frauen zu überzeugen trachtet, doch die eigenen Bedürfnisse und Wünsche tunlichst zu erfüllen, damit aus der beginnenden Partnerschaft auch was werden kann?

Klar existieren auch diejenigen, die noch immer nicht begriffen haben, daß sie schlechte Chancen auf eine Antwort haben, wenn sie eigentlich nur eine die Peitsche schwingende Fetisch-Kleiderpuppe suchen oder die eierlegende Wollmilchsau-Sklavin (naturdevot, extrem belastbar, echt masochistisch, etc.), denn Ehrlichkeit ist ein zweischneidiges Schwert: Sie trennt genauso wie sie Dinge deutlich macht, daher heißt es ja auch: »Ehrlichkeit funktioniert nur zusammen mit Takt«. Takt alleine führt zu der oben erwähnten Schwammigkeit und Ehrlichkeit alleine wird schnell brutal.

Natürlich gibt es jene Männer wirklich und wahrhaftig (ich kenne sie beide – Augenzwinkern), die in erster Linie eine gleichberechtigte Partnerin für den Alltag suchen und erst in zweiter Linie dabei an harten, aufregenden, befriedigenden, also einfach nur geilen SM-Sex denken. Aber häufig vermute ich – und diverse Rückmeldungen von befreundeten, per Kontaktanzeige suchenden Frauen sprechen dafür –, daß sich hinter all diesen männlichen Formulierungskünsten (oder sollte ich lieber Verschleierungstaktiken sagen?) der sehnliche Wunsch verbirgt, die eigenen Chancen auf jemanden im Rock nur dadurch zu erhöhen, daß man Formulierungen nimmt, die das eigene Begehren zwar unzureichend beschreiben, dafür aber möglicherweise in ihrer undeutlichen Art den Frauen vermeintlich besser gefallen. Dafür spricht auch, daß gute Anzeigen gelegentlich nahezu wörtlich kopiert wieder aufgegeben werden – von anderen Absendern.

Das erscheint mir dann fast so unehrlich wie jene Anzeigen passiver Männer, die sich als Aktiver oder zumindest als Switcher anbieten – in der Hoffnung, so mehr Chancen auf dem Partnermarkt zu haben. Oder wie jene Männer, die ihre Anzeige so formulieren, als suchte ihre Herrin eine Spielgefährtin, obwohl doch diese Herrin nur in den Tagträumen ihrer hungrigen Herzen existiert.

Ich bin ganz sicher niemand, der für sich in Anspruch nimmt, zu verstehen, was genau in weiblichen Köpfen vorgeht. Auch wenn ich mir redlich Mühe gebe, kommen im besten Falle nur Annäherungswerte dabei raus. Und natürlich sind die Frauen, die ich als Maßstab nehme niemals »alle Frauen«.

Doch eines weiß ich sicher: Frauen mögen es nicht, wenn man ihnen etwas vorlügt, denn sie haben spätestens beim ersten Rendezvous ein recht deutliches Gefühl dafür, was ihr Gegenüber von ihnen erwartet – egal welche Geschichte er erzählt. Nun gut, meine Frau sagt zu meiner Art der – nennen wir es auch Direktheit, daß wir mit mir als Diplomat sicherlich schon den 4. Weltkrieg gehabt hätten. Doch im allgemeinen habe ich gerade mit Frauen gute Erfahrungen damit gemacht, wenn ich das sage, was ich meine, statt drum herum zu reden oder so zu tun, als wäre alles ganz anders und ich nur der gutmeinende Mann von Nebenan. (Im letzteren Fall gibt es meist unweigerlich verbal an die Ohren, denn darauf haben Frauen auch keine Lust.)

Zu diesem Thema passend habe ich einmal eine spannende Geschichte von einer Frau gehört: Sie hat parallel im selben Magazin zwei sehr unterschiedliche Anzeigen geschaltet. Die eine war ähnlich kurz und direkt wie die eingangs erwähnte, die andere entsprach den heute eher üblichen Partner-Such-Anzeigen. Meine Vermutung war, daß die Männer – glücklich, mal eine Frau zu treffen, die ihre Sprache spricht – auf die erste Anzeige deutlich häufiger antworten würden. Aber damit lag ich völlig daneben. Denn auch hier trauten sich die Männer wohl eher nicht.

Ich weiß nicht, ob es »marketing-technisch« ein guter Tip ist, wenn wir Männer uns wieder mehr mit unserer direkten Art zu Wort melden, aber ehrlicher wäre es allemal.

In diesem Sinne,

Matthias




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