D/s – Dominanz/Submission, Teil III
Sklavenverträge
Ganz gleich, ob man sich tatsächlich als Sklave/in versteht oder eher als Diener/in: Die Regeln und Pflichten beider Partner lassen sich für ein gemeinsames Spiel oder einen längeren Zeitraum in einem Sklavenvertrag festschreiben. Eigentlich sind diese Verträge nicht mehr oder weniger eine schriftlich festgehaltene Absprache. Dennoch sind sie für viele D/sler ein Muss, das sowohl praktisch als auch erotisch und ebenso sehr auch zutiefst romantisch sein kann.
Neben der Variante, dass Top sub einen Sklavenvertrag vorlegen kann, streng nach dem Motto »Friss, Vogel oder stirb!«, werden andere Verträge regelrecht ausgehandelt. Dabei ist man nicht nur auf die eigene Formulierkunst angewiesen, es gibt im www (zum Stichwort Sklavenverträge liefert Google 947 Einträge) und auch in Büchern zahlreiche Vorgaben, die man selbstverständlich nach eigenem Gutdünken überarbeiten und modifizieren kann. Zwar mögen die Vorgaben in den bereits ausgearbeiteten Verträgen auf den ersten Blick schön kickend sein, dennoch entsprechen sie den Vorstellungen dessen, der sie entworfen hat, und nicht den eigenen. Man ist weder an das Wort »Sklave« gebunden, noch an die Bezeichnung »Herrin«. Ebenso gut kann es heißen: »Hiermit verspreche ich, Sebastian Musterknabe, im Folgenden `der Butler´ genannt, meiner geliebten Göttin Susanne, im Folgenden `Mistress´ genannt, treu zu dienen.«
Auch wenn das Vertragsformular vorgibt »Die Sklavin hat nicht das Recht, ihre Brüste oder Scham zu berühren, ohne vorher ihren Herrn um Erlaubnis zu bitten«, könnte es dennoch sein, dass der Herr es außerordentlich lästig findet, jedes Mal vor dem Duschen um Erlaubnis gefragt zu werden. Also raus mit dem Passus! Es reicht ihm völlig, dass sie verspricht »niemals einen Orgasmus zu haben, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen«. Es gibt keinen Grund, etwas so zu machen, wie andere denken, dass es sein soll. Es spricht alles dafür, die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen!
Dennoch kann natürlich ein gründlichen Überdenken eines solchen Vertrages nicht schaden. Es kann sogar Spaß machen, die Wünsche und Bedürfnisse gemeinsam gründlich auszuloten und in die richtigen Worte zu fassen. Vielleicht kann man bei der Gelegenheit auch noch eine winzige, kleine Regel aus der Herrin herausquengeln, die man selber obergeil, sie aber relativ belanglos findet.
Es ist übrigens offensichtlich, dass diese Verträge nicht etwa dazu dienen, sub vollkommen zu entrechten und zu knechten. Auch und gerade die subs sind oft diejenigen, die an das umfangreiche Regelwerk eine ganze Reihe von lustvollen Fantasien knüpfen. Der Vertrag sorgt nicht nur dafür, dass sie das Gefühl haben, sich an all das halten zu »müssen«, er beinhaltet auch das Versprechen, dass diese Dinge geschehen werden.
Für Top hingegen ist die Unterschrift unter einen Sklavenvertrag ein Zeichen dafür, dass sub es ernst meint mit der Hingabe, mit dem Gehorsam und dass es sich bei all den vollmundigen Versprechungen nicht nur um Seifenblasen handelt, die sich nach dem nächsten Orgasmus auflösen und nie wieder gesehen werden.
Aber auch ohne Sklavenvertrag muss sich niemand Sorgen machen, vielleicht kein »richtiger« Sklave zu sein. Dem Himmel sei Dank, dass die BDSM-Szene noch nicht so durchorganisiert ist wie die deutsche Bürokratie und es auch hoffentlich nie werden wird!
Aber vielleicht kann sich Top durch einen Vertrag rechtlich absichern? Ja, beide können das tun. Die Rechtsprechung ist freundlicher geworden, was Sadomasochismus betrifft. Ein sub, der unterschrieben hat, dass er der allnächtlichen Käfighaltung zustimmt, wird Top im Falle einer juristischen Auseinandersetzung im Nachhinein nicht Freiheitsberaubung vorwerfen können. Vereinbarungen allerdings, die sich auf schwere Körperverletzungen beziehen, dürften nach wie vor auf wenig Toleranz bei deutschen Richtern stoßen. Und noch ein weiterer Rechtsgrundsatz hat, ganz egal, was auch immer in dem Vertrag steht, Bedeutung: Jeder Vertrag ist von jedem Vertragspartnern kündbar. Ein Passus, in dem nur einem der beiden Partner ein Kündigungsrecht zugestanden wird, hat juristisch (und eigentlich auch moralisch) keinerlei Relevanz.
Metakonsens-Spiele
Die BDSM-Kultur verlangt im Rahmen der Einvernehmlichkeit die Vereinbarung eines Safewords, damit sub jederzeit die Gelegenheit hat, ein Spiel, eine Session abzubrechen.
Im D/s gibt es jedoch Bedürfnisse, die die gesamte Fantasie von Machtlosigkeit, Demut und Hingabe zerstören würden, hätte sub die Möglichkeit, jederzeit abzubrechen oder gar den Ablauf der Ereignisse durch beispielsweise den »Ampelcode« zu steuern.
Top und sub vereinbaren für die Zeit des Spieles (oder im 24/7 sogar für »immer«) einen sogenannten Metakonsens. Das bedeutet, dass sub Top vorher die Erlaubnis gibt, alleine über die Grenzen des Spiels zu bestimmen. Dabei sollte ihm oder ihr bewusst sein, dass die Situation während des Spiels für ihn sehr unangenehm werden kann bis hin zu echten Ängsten (siehe auch Sicherheitsbrevier Edge Play SZ 76). Sub verzichtet damit ausdrücklich auf die Benutzung eines Safewords. Natürlich sind auch Unterwerfungsspiele mit Safeword möglich, aber für sich tief nach Machtlosigkeit sehnenden subs fühlt sich das nicht an wie das, was sie wirklich empfinden wollen.
Der Metakonsens erstreckt sich dabei meist nur auf bestimmte Bereiche des gemeinsamen Lebens. Während es vollkommen in Ordnung sein kann, dass Top sub beim Sex plötzlich und willkürlich ohrfeigt, kann das auf dem Ikea-Parkplatz zur Stoßzeit am Samstag-Nachmittag völlig daneben sein. Es kann wunderbar geil sein, wenn Top sub in fröhlicher SMer-Freundesrunde als dumme Schlampe bezeichnet, beim Betriebsfest mit Vanilla-Kollegen ist das Gleiche dann doch völlig fehl am Platze.
Der Metakonsens beinhaltet den positiven Effekt, dass die Einwilligung des subs in böse, schlimme Dinge natürlich keineswegs bedeuten muss, dass so etwas immer passiert, aber sub kann sich eben auch nie sicher sein, wann sie passieren (mit der gebotenen oben genannten Einschränkung natürlich). Wenn sub Top darum bittet, jederzeit »vergewaltigt« zu werden, wann immer ihm danach ist, wird er sich nie so ganz sicher sein können, ob und wann es passiert. Fährt er auf diesen stillen Parkplatz, um ganz harmlos pinkeln zu gehen, oder wird er sie gleich hinter die Büsche zerren? Wird er sich abends friedlich ankuscheln und einschlafen oder über sie herfallen? Ohne Metakonsens wäre diesem schönen Spiel jede Spannung genommen. Fast komisch, sich vorzustellen, dass er angesichts des Parkplatzschildes so etwas fragt wie: »Äh, Schatz, hast du Lust auf ein kleines Rape-Spiel auf dem nächsten Rastplatz?«
Konventionelle SM-Ratgeber warnen ausdrücklich vor dem Verzicht auf Safewords. Und auch vor Spielen, die nicht einvernehmliches Handeln beinhalten, die jedoch nichts desto trotz massiv kicken können. Sie warnen vor schwerwiegenden und irreparablen psychischen Verletzungen und Folgen. Im Sinne eines tiefen Erlebens einer Situation wäre ich dennoch durchaus bereit, dem gesunden Menschenverstand und dem »Bauchgefühl« zu vertrauen und mich darauf zu verlassen, dass die Sensibilität des toppenden Partners und die nonverbalen Signale und körperlichen Reaktionen des bottoms ausreichend sein können, um einen abdriftendes Szenario zu stoppen.
Die Auswirkungen eines tiefen Psycho-Spiels sind oft so unmittelbar und heftig, dass der submissive Partner gar nicht mehr in der Lage ist, sein Unwohlsein zu verbalisieren. Da die Folgen eines zu heftigen Schlages schnell verheilen, die Folgen einer zu heftigen Demütigung jedoch bleibender sein können, ist ein langsames Herantasten an die Möglichkeiten dringend geraten. Auch wenn beide Partner schon seit langem von Erniedrigungsspielen lustvoll träumen, können diese in der Realität ganz anders empfunden werden. Genau wie bei der Schmerzerotik kann auch die Tagesform entscheidend sein.
Um eine so gute Vertrauensebene zu erreichen, kann man sich langsam und vorsichtig an die Grenzen herantasten. Weder Top noch sub sollten sich dabei von der Gier des Partners antreiben lassen. Jedes gewagte Spiel in dieser Richtung braucht neben einem ausgiebigen Ausklang auch eine verständnisvolle Manöverkritik einige Zeit später. Ein solidarisches Gespräch ohne Schuldzuweisungen (Wenn du mehr aushalten könntest! Wenn du nicht so rücksichtslos wärest!) nach jedem Spiel sollte zur Kultur eines D/s-Spieles gehören wie die Gerte zum SM-Haushalt.
Wenn man sich nicht allzu gierig auf neue Abenteuer stürzt, das Gehirn in der Vorbereitung nicht vollständig in den Unterleib rutschen lässt und sich entschließen kann, offen und ehrlich über Grenzen, Machbares und Bedürfnisse zu sprechen, sollte das eigentlich genügen.
Übrigens ist nicht nur der passive Partner in diesen Spielen unter Umständen einer großen psychischen Belastung ausgesetzt. Auch der Dominierende kann Gefühle an sich entdecken, die zunächst schwer zu verarbeiten sein können. Sei es, dass der Wille zu quälen so überbordet, dass die Fantasie grenzenlos auszuufern scheint, sei es, dass sich der lustvolle Wunsch des Quälers in tränenreiches Mitleid verwandelt. Ekel vor der eigenen Lust und melancholische Durchhänger am anderen Tag sind nicht selten.
Für beide Partner gilt: Bloß kein falsches Heldentum! Gefühle rauslassen, offen drüber reden!
Denn obwohl sub innerhalb des Spiels oder der gelebten 24/7 Hierarchie die Macht abgibt, trägt er oder sie dennoch seinen oder ihren Teil an der Verantwortung für die gelungene Kommunikation zwischen beiden.
Entgegen vieler Befürchtungen hat das mehr oder weniger generelle Einverständnis des sub inzwischen auch eine juristische, absichernde Wirkung im Ernstfall. Da sadomasochistische Praktiken nicht mehr als generell sittenwidrig gelten, sind mündliche wie schriftliche Vereinbarungen, in denen sub sein oder ihr Einverständnis gibt, gültig. Dennoch sind diese noch so weitreichenden Einverständniserklärungen kein Freibrief für den Top.
Dieser hat sicherzustellen, dass er mit dem, was er oder sie tut, hinreichend umgehen kann. Dazu gehört im Bereich der »Psychospiele« eine gründliche Information über die Empfindlichkeiten und Grenzen des Partners/der Partnerin.
Man könnte also mit Recht behaupten: Ein Top, der von sub bei einem der ersten Kontakte, ohne hinreichende Gespräche und Information, eine Einwilligung in wilde Demütigungs- und Erniedrigungsspiele verlangt, bewegt sich juristisch auf dünnem Eis und ist sicher nicht vertrauenswürdig.
Risiken und Nebenwirkungen
In dem Moment, in dem die Grenzen der Hierarchie zum Bereich der »normalen« Partnerschaft innerhalb einer Beziehung fließend und nicht klar definiert sind, sind Konflikte häufig und unschön. Spielbeziehungen haben es da leichter. Wenn man sich trifft, dann gelten die Regeln des D/s und Punkt.
Wenn jedoch innerhalb einer Lebenspartnerschaft nicht ganz klar ist, was Top zu bestimmen hat und was nicht, wenn liebevoll gemeinte Autorität in manchen Dingen von sub als übergriffig empfunden wird, dann kracht es. (»Geh und wasch dein Auto!« sagt sie, und er denkt: »Hey, das ist mein Auto! Was geht es sie an, wann ich mein Auto wasche?«) Wenn sub seine Verantwortungsbereiche innerhalb der Beziehung nicht mehr selbstverantwortlich wahrnimmt, um Tops Aufmerksamkeit und Führungsqualitäten hervorzulocken, dann rappelt es im Karton. (Er: »Da ist schon die dritte Mahnung, weil du die Rechnung nicht bezahlt hast.« Sie mit Unschuldsblick: »Du hättest mir ja sagen können, dass ich sie bezahlen soll. Du bist doch der Chef.«)
Es nützt nichts: In solchen Fällen muss ganz klar abgesprochen werden, wo die partnerschaftlichen Bereiche und wo die D/s-igen liegen. Top kann in solchen Fällen und wenn ihm/ihr an der Beziehung liegt, nicht auf seiner/ihrer grundsätzlichen Weisungskompetenz pochen. Und sub hat nicht das Recht, Top als Dienstleister für eigene Disziplinlosigkeit und Desorganisiertheit zu missbrauchen.
Der Sprengstoff für den Beziehungsfrieden liegt in der mangelnden Bereitschaft beider, eigene Bedürfnisse und Grenzen klar aufzuzeigen und sich dem Partner verständlich zu machen. Wer meint, der andere müsse aufgrund seiner submissiven Hingabe oder seiner überlegenen Verantwortlichkeit schon selber drauf kommen, wie man glücklich zu machen sei, legt Feuer an die Zündschnur.
Destruktive Beziehungen
Sogenannte destruktive Beziehungen sind das Schreckgespenst, das D/s-lern immer wieder gern vor Augen gehalten wird, wenn sie sich in tiefe, von Herrschaft und Gehorsam geprägte Beziehungen hineinsehnen. Gemeint sind damit Beziehungen, die über kurz oder lang für einen oder beide Partner mit der völligen oder teilweisen Ausbeutung der persönlichen seelischen und psychischen Ressourcen enden.
Natürlich: Wenn Alltag nicht mehr möglich wird, weil alles Sinnen und Trachten am Partner hängt, wenn ein nicht erfolgter Telefonanruf einen Weinkrampf zur Folge hat, wenn dramatische, pathologische Eifersucht zu wilden Wutanfällen führt, wenn das Unglücklich-Sein Alltag wird, dann sind all das Alarmsignale und Hilfe tut not.
Merkwürdig eigentlich: All diese Symptome können auch bei psychisch instabilen Vanillas jederzeit als Nebenwirkung von großer Verliebtheit auftreten. Die Ursache für die Probleme liegt nicht in den Herrschafts- und Besitzverhältnissen einer D/s-Beziehung, sondern in der psychischen Instabilität der beteiligten Personen.
Wann immer man den Eindruck hat, ein Top toppe nur, weil ihm oder ihr die Herrschaft die Sicherheit gibt nicht verlassen zu werden, oder ein sub unterwirft sich, weil er oder sie die Verantwortung für sich selbst nicht tragen will oder kann, wenn also die Herrschaft und Unterwerfung nicht lustvoll, sondern eine »Krücke« ist, dann wird es gefährlich. Wann immer einer der beiden mit Beziehungsabbruch oder Selbstmord droht, sobald Konflikte auftreten, ist etwas ernstlich nicht in Ordnung. Hier hilft ein Umfeld aus vertrauenswürdigen Freunden oder auch eine (BDSM-freundliche) psychotherapeutische Betreuung, die einen stabilen Rückhalt gewährleistet, bis das eigene Gleichgewicht wieder hergestellt wird.