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Letter from London: Die Insulaner schlagen Brücken aufs Festland


Die erlauchte Londoner Fetischszene hielt sich bislang für das Zentrum der einschlägigen Welt – und das zum Teil nicht ganz unberechtigt. Immerhin leistete sie lange Jahre harte Pionierarbeit und machte aus schmuddeligem Gummi bunte und tragbare Mode. Allenfalls noch die großen Brüder und Schwestern überm Teich wurden da berücksichtigt. Doch inzwischen ist sie offenbar drauf gekommen, dass es auch in »mainland Europe« gute Fetischdesigner, hübsche Modelle, gute Fotografen gibt.

Ein deutliches Zeichen, dass die britische Fetisch-Crowd neuerdings ab und zu einen Blick über den Kanal wirft, war das Skin Two-Wochenende im vergangenen Oktober. Wohl noch nie waren auf der Expo so viele Aussteller aus Deutschland, Österreich, Dänemark und Holland vertreten. Noch nie tummelten sich beim Rubber Ball so viele Modelle aus Kontinental-Europa auf dem Laufsteg: Sway, Tina, Sandra, die Kosmischen Schwestern ... und zwar ebenfalls meist in Klamotten deutscher, österreichischer und holländischer Designer: Bodycult, HW-Design, Absolute Danny, Starfire, Fräulein Erhardt (auch wenn ihnen das Fräulein etwas schwer über die Lippen kam). Umso verwunderlicher, da manch bekannter Name aus England nicht auf der Designerliste der Modeschau vertreten war. Und noch nie kämpften so viele Fotografinnen und Fotografen aus den oben erwähnten Landen vor dem Laufsteg um die besten Plätze.

Für die Aussteller vom Festland mag es nicht immer gleich ein riesiger finanzieller Erfolg sein. In einem sind sich aber alle einig: Die Werbung, auf dem Umweg über den Rubber Ball eine mehrseitige Fotostrecke im Magazin Skin Two zu bekommen, ist nahezu unbezahlbar, Folgeaufträge sind garantiert. Harald Wilfer, Chef von HW-Design aus Wien: »Was sollen wir sonst noch erreichen? Es gibt keine größere Veranstaltung als den Rubber Ball. Weder in Europa, noch in Amerika.« HW-Design beziehungsweise fetish-live.com hatten bereits das zweite Mal einen Stand auf der Expo. Den Sprung auf den Laufsteg beim Rubber Ball selbst haben sie aber erst heuer geschafft. Nach einigen Jahren, in denen sie um die Aufmerksamkeit von der Insel gekämpft hatten und anfänglich links liegen gelassen wurden.

Erstmals mit dabei auf dem weltweit größten Fetisch-Event in London waren TO.mTO-Korsetts aus Berlin und die Latexmanufaktur Bodycult aus Werdau. Tonia Merz, Chefin von TO.mTO, kennt die Londoner Szene gut. Immerhin hat sie unter anderem ein Praktikum bei den Latexdesignern Murray & Vern gemacht, ehe sie in Berlin ihre eigene Firma gegründet hat. Umso mehr freut es sie, dass nun auch Arbeit vom Festland in England Anerkennung findet und man davon abgegangen ist, sich für den »Nabel der Fetischwelt« zu halten. Auch wenn es für sie beim ersten Mal wirtschaftlich nicht ganz so toll gelaufen ist, besteht gar keine Diskussion: »Man muss da einfach dabei sein, wenn man sich einen Namen machen will.«

Vollauf happy sind die Dänen von »No Pain, no Gain«. Sie haben auf der Expo so viele Gummiklamotten verkauft, dass sie für 2005 vorsorglich gleich die doppelte Ausstellungsfläche (bei durchaus stolzen und teils als Abzocke titulierten Standpreisen) gebucht haben. Auch Constanze von Bodycult ist zufrieden: »Wir waren sehr gut vorbereitet, und es war ein voller Erfolg.«

Und offenbar ist man auch bei den Veranstaltern glücklich, so viele Designer und Händler samt Käufern und Publikum vom Festland auf die Insel geholt zu haben: Von einer »starken neuen europäischen Präsenz« und einem »starken europäischen Flair« bei Ball und Expo sprach Skin Two-Magazin-Herausgeber Tony Mitchell (Offenbar fühlen sich die Briten immer noch als Insulaner und nicht als Europäer). Und, so stellt er fest, die Bühnenshows, die Fantasie und das handwerkliche Können der Designer seien, wie in all den Jahren zuvor, »umwerfend« gewesen.

Na, dann sind wir ja froh, dass wir Wohlgefallen in den Augen der strengen Briten gefunden haben, und verzücken wir sie auch im Jahr 2005.

Uwe




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