Die Medienkritik aus Schlagzeilen 80


DVDs
Matthias, Geli
 Steen SchapiroThe Art Core Trilogy
 Julie SimoneThe Jogger
 (verschiedene)Pure White Room
 Bondage ProjectGanz nah dran – Bondage Project Doku

Bücher
Bee, Matthias


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Steen Schapiro
The Art Core Trilogy
Als mir vor über zehn Jahren der erste Film des dänischen Dokumentar-Filmers Steen Schapiro in die Hände fiel, war ich sehr angetan. Inzwischen gibt es alle drei Filme, die in den 90er Jahren entstanden sind, zusammen auf einer DVD, und weil fast alles auf Dänisch ist, auch mit englischen Untertiteln.
»Mistress of the Rings« (1992) ist das Portrait einer dänischen Piercerin. In »Dominance« (1994) geht es um ein Paar, bei dem sie ihn dominiert und neben Spielsequenzen auch sehr gute Interviews zu sehen sind. »Fetish Generation« (1995) ist eine Beschreibung der SM- und Fetisch-Szene in Holland, die auch heute noch einiges an Gültigkeit hat.
Alles in allem ein spannendes Dokument aus einer Zeit, in der es bei uns in Deutschland noch nicht so viele Partys, Gruppen und Treffpunkte gab.

Steen Schapiro
The Art Core Trilogy
DVD; 111 Minuten
EUR 26,00





Julie Simone
The Jogger
Ich kenne Julie Simone aus den USA schon eine ganze Weile per Mail-Kontakt, denn sie ist auch ein Bondage-Fan, auch wenn sie die Stile je nach Laune mixt. Nachdem sie lange Zeit vor der Kamera agiert hat, arbeitet sie jetzt auch mehr und mehr hinter der Kamera. Inzwischen hat sie eine eigene Produktionsfirma, und dort ist auch »Jogger« erschienen. In diesem Film wird Julie als Joggerin von ihrem Ex-Mann eingefangen und auf alle erdenkliche Art und Weise gefesselt, geknebelt und nett gequält.
Der Film ist erhältlich direkt bei der Produktionsfirma www.juliesimone.com oder in ausgewählten Fetisch-Shops in Deutschland.

Julie Simone
The Jogger
DVD; 80 Minuten

Matthias


  Immer wieder werden wir am Telefon oder per Mail nach Film-Tipps gefragt. Die meisten von uns, Matthias einmal ausgenommen, haben da bisher nicht so viele gesehen. Ich selbst schaue gern mal einen guten SM-Film an, wenn er mir in die Hände fällt, suche aber nicht aktiv danach. Auch ein Videothek- und Pornoshop-Gänger bin ich nicht. So entgeht mir natürlich das, was so auf dem Markt ist. Und in die dunklen Pornokino-Labyrinthe lasse ich mich dann lieber zur Session oder zum Vorzeigen entführen, als dass ich da in einer Kabine auf einem klebrigen Stuhl sitzend mir einen Film reinziehe. Die vollmundigen Ankündigungen in einschlägigen Werbemagazinen für die Erotikbranche sind auch eher gleichförmig ermüdend und sagen über die Qualität eines Films nichts aus.
Das wichtigste Argument, warum wir nicht die echten Knallertipps abgeben können, ist, dass wir einen richtig guten – und dann auch meist heftigen SM-Film – nicht verkaufen dürfen. Wir bieten euch die Sachen im Internet und im Beileger an und beliefern euch per Post. Und Pornographie, selbst wenn sie gut ist, darf eben nicht per Post verschickt werden. Deshalb können wir euch den Gang in den gut sortierten Erotikhandel in diesem Fall nicht ersparen. Genau aus diesem Grund verweist Matthias in seiner Besprechung von »The Jogger« dann auch auf die Erotikläden. Und er hebt als unser »Indizierungsguru« warnend die Hand, falls wir beim Verkauf in Schwierigkeiten kommen könnten. Dann verzichten wir eben lieber darauf. So geschah es bei einigen Filmen aus der Amateur-Bondage-Reihe, die wir erst in das Programm aufgenommen hatten, dann aber doch lieber wieder strichen. Es wird zum nächsten Mal eine ganze Reihe weiterer Filme aus diesem Projekt geben, aber erst einmal müssen sie durch den Test. Trotzdem gibt es natürlich auch neue Filme, deren Aufnahme in unser Programm wir auch verantworten können.
Auch wenn sich unter uns Redaktionsmitgliedern kein reiner Fetischist finden lässt, so hat doch jeder von uns auch fetischistische Vorlieben. Matthias liebt japanische Schulmädchen-Outfits, Jan ist ganz auf die Farbe Pink aus, wir Frauen lieben Korsetts in jeder Form. Mich machen Röcke tragende Männer mit langen dunklen Haaren schwach ... Nur so einen reinen Latex-Fetischisten sucht man bei uns vergebens. Von früher habe ich noch mit Abstand die meisten Latex-Outfits im Schrank und fühle mich daher berufen, die Filme von MARQUIS zu besprechen.
Der »Latexpapst« Peter W. Czernich aus Solingen produzierte mit »White Room« schon vor mehr als zehn Jahren den Klassiker unter den Fetischvideos. Nun sind die besten Szenen aus drei Teilen neu geschnitten und mit der treibenden Musik von Obverse Reality vertont auf einer DVD zusammengestellt worden. Alle Sequenzen spielen in einem klinisch weiß gekachelten Raum. In schwarzes oder transparentes Latex gehüllt machen sich die Protagonisten – nur zweimal verirrt sich ein männliches Gummiwesen in den Kachelraum – allein über sich her oder vergnügen sich zu zweit, zu dritt oder mit an der Wand festgesaugten Dildos.
Die zweite Haut umschließt den Körper: Ist sie schwarz, verbirgt sie alles außer der Form; ist die Hülle transparent, gibt sie den Blick frei auf Busen, Hintern und Möse, verhindert aber den direkten Zugriff. Masken entpersonalisieren und verbergen die Mimik. Mit geknebelten und in Zwangsjacken verpackten oder mit Edelstahlfesseln auf die Liege geketteten Wesen, die einiges erdulden müssen, kommen sogar auch leichte Bondage- und SM-Aspekte nicht zu kurz. Auch wenn die Elektroschocks, die die schwarze Gummipuppe auf dem Kachelpodest in Bewegung versetzen, nur gespielt sind, setzt meine Phantasie unwillkürlich ein. Der Geruch von Latex steigt in meine Nase, das bekannte Gefühl des von der Außenwelt Abgeschlossenseins kommt wieder in den Sinn. Schön sind die Personen, ästhetisch aber leider ein bisschen gekünstelt ihr Tun. Trotzdem geben die Szenen den Anstoß zu allem, was sich dann in der Phantasie in diesem »White Room« abspielen kann.
Direkter Nachfolger dieses Films war die »Rubber Academy – Die Fetisch-Akademie von Wien«. Auch wenn sich der Klappentext der Hülle anhört, als würde ihn ein Koberer auf der Reeperbahn rufen oder der Los-Verkäufer auf dem Hamburger Dom, unserem Rummel: »In den geheimen Kellergewölben der bizarren Akademie finden verschärfte Trainings-Sessions für devote Gummi-Girls statt, die den ausgefallenen Wünschen ihrer Herren nur allzu willig nachkommen. Gummi-Bondage bis zur völligen Bewegungslosigkeit, Dauertraining mit der Schwanzlutschmaske, penetrant aromatisierte Atemluft, schwerste Spezialmasken, Saugglocken für die Brüste und – noch nie gezeigt – für die Vagina! Hier ist alles echt, hier wird nichts gespielt – Sie können das Gummi regelrecht riechen!« Na ja, dann zeigt mal:
Mit schöner Hintergrundstimme beschreibt eine »Novizin« ihre Stationen im Gewölbekeller eines echten Wiener SM-Studios: am Drehrad, im Hängekäfig mit Fesselharness, stimulierend untermalt von sphärischer, gregorianischer Musik. Die Szenen werden ruhig entwickelt, es sind richtige kleine Sessions. Zwar ist es wichtig, dass alles Latex ist, was da schwarz glänzt, aber recht SMig geht es schon her, auch wenn die verabreichten Strafen eher unter »symbolisch« zu verbuchen sind. Aber die Fußdressur des »Gummihündchens« aus Käfighaltung ist niedlich. Die vollmundige Filmankündigung stimmt. Richtig heftig bizarr geht es in der Gummizelle auf dem Folterstuhl zu. Mit schweren Masken und Atemreduktion macht der böse »Gummitrainer« die Novizin gefügig. Ob der Aufenthalt in der Sauna der Latexhaut zuträglich ist, mögen Latexfans selbst beurteilen. Über die Saugnapfspielchen auf dem Gynstuhl werde ich aus den ganz oben genannten rechtlichen Gründen dann doch nicht ins Detail gehen. Zum Schluss wird auf einer Fetischparty die nun trainierte »Gummipuppe« den Freunden vorgestellt.
In diesem Film kommt es noch nicht auf die Namen der Darsteller an. Es gibt keine Dialoge, und die Mitspieler sind echt und authentisch. Im zweiten Teil (1999) erfahren wir bereits die Vornamen der Darsteller, und es wird versucht, eine richtige Handlung zu entwickeln. Allerdings ist der Wiener Akzent der »Vorzimmer-Gummipuppe« und des anderen Personals ein wenig gewöhnungsbedürftig für eine Norddeutsche wie mich.
»Frau Meyer« wird von ihrem Herrn in der jetzt hell und freundlich ausgestatteten Akademie zum Gummitraining abgeliefert. Maskiertes Personal bereitet sie für eine Nacht in der Latexhülle vor. Weiter geht es ausführlich um Atemmasken, Vollverschlauchung und Zwangsernährung. Für manche/n eine Wonne! Wer seine Hände nicht am rechten Platz halten kann, muss fühlen: Strafkleidung für die unkeusche Schülerin. Auch der strenge »Gummimeister« spielt wieder mit. Liebevoll ist sein »Folterkeller« mit Bergen von Gummizeugs eingerichtet, Ketten baumeln von der Wand.
Putzsklavinnen im transparenten Outfit mit Rüschen, durchsichtige Schwesternkostüme, Ganzanzüge, Halskorsetts: Es wird wohl für jeden was dabei sein.
Der dritte Teil der »Fetish Academy« von 2004 zeigt, wie sich im Laufe der Jahre der Geschmack in der Latex-Fetischszene verändert hat. Nicht mehr schwarze Vollverschlauchung: hier kommt richtig Farbe ins Spiel: lila, grün, hellblau, rot, orange. Die Outfits sind extra für diesen Film kreiert worden und präsentieren die fast identischen Körper der Darstellerinnen in Perfektion. Klonen kann sich lohnen. Im fehlerlos geölten Latex kann man sich fast spiegeln. Und vorbei ist es mit der Anonymität der »Schauspielerinnen«: Emily Marilyn, Luzie Lee, Rubberella, Rubber Eva, Serpila, Stacey – die bekannten Models haben fast alle ihre aufwendigen Webseiten mit Bildgalerien und kostenpflichtigen Members-Bereichen. Vermarktung pur der teuer aufgemotzten Körper. Das tut dem Film natürlich keinen Abbruch. Es zeigt nur, dass sich in der Szene im letzten Jahrzehnt seit »The White Room« eine ganze Menge geändert hat.
Diesmal kommt die »Fetish Academy« als Schule daher. Vier nummerierte Schülerinnen lernen die Grundlektionen der »Fetischkunde«, alles über Masken und Knebel und erhalten Unterricht in erotischem Vorlesen. Zum Glück kommt Sprache nicht oft ins Spiel, denn die Latex-Barbies sind nicht unbedingt im deutschen Sprachraum beheimatet. Die Kameraführung ist perfekt und fängt durch Nahaufnahmen Details hautnah ein. Wirklich hübsch anzusehen sind die Kostüme: immer mit Halskorsett, egal ob von Erzieherinnen oder Schülerinnen getragen. Und die Kachelräume sind jetzt rot oder lila. Viele neue Ideen sind doch recht anmachend in Szene gesetzt: weiße und braune Gummipuppe schmieren sich gegenseitig mit Schokolade und Vanillesoße ein: hell auf Braun und umgekehrt. Gut, dass man den weißen Kachelraum anschließend ausspritzen kann. Die blaue Gummizofe lernt Hinternwackeln und Servieren, zwei andere machen Gehversuche auf Spitzenballerinas. Und es glitscht und glitscht: Latexpflege wird in diesem Film groß geschrieben. Vom glänzenden Anzug bis zum Bettlaken – da wird geschmiert und poliert und poliert und geschmiert. Für mich ganz toll sind die silberne abschließbare Kopfkugel und die zwei transparenten zugebundenen Müllsäcke mit weiblichem lebenden Inhalt, die über den Boden robben. Viele extreme Behandlungen sind eher angedeutet als ausgeführt. Männer vermisst man hier völlig. Die Frauen sind unter sich, aber machen genügend aneinander rum.
Beide Teile der »Ponygirls« kann ich zusammen besprechen, denn sie sind auch gleichzeitig produziert worden, und anschließend wurde die Fülle des entstandenen Materials auf zwei Filme aufgeteilt. Geschrieben wurde das Buch von Peter W. Czernich, aber die weibliche Hand von Bianca Czernich als Produzentin und Schlossherrin (ganz wunderbar im Tudor-Kleid aus Latex) ist unverkennbar. Auch wenn sich bei mir beim Thema Ponyspiele die Nackenhaare sträuben, so haben mir beide Filme sehr gefallen. Das Schloss ist hübsch, innen wie außen, die Dekoration liebevoll zusammengestellt. So bekommt die Geschichte, dass hier junge Frauen zu »Ponys« ausgebildet werden, einen würdigen Rahmen. Spielerisch bringen zwei Rittmeisterinnen den menschlichen Pferdchen das Nötige bei. Auch mal mit der Gerte mit dem obligatorischen Patsch-Patsch. Oder mit der Bullwhip, aber das nicht so ganz elegant. Auch wenn es nicht richtig zur Strafsache geht, bin ich doch absolut begeistert vom Aussehen und der zickigen Mimik von Lady Louva. Meine Phantasie zeigt mir schon, wozu sie in der Lage wäre, wenn sie es im Film voll ausfahren dürfte. Oh, diese Augen und das grausame Lächeln! Und was hat sie mit ihrer Zunge gemacht?
Es ist ein Rausch an Kostümen und Accessoires, die es natürlich alle bei MARQUIS zu kaufen gibt. So viele Uniformen für die Rittmeisterinnen, Dienstmädchenkleider mit Rüschen und Voilants, die Ponys eines hübscher als das andere. Für die Pferdchen ist es schon schwer, mit diesen Hufschuhen die Herrinnen in den Sulkys zu ziehen, und so ist jede Pause recht. Ob nun Herumtollen auf der Wiese oder im Stall angesagt ist oder als wohl verdiente Belohnung die Rittmeisterin das Kleine mit dem Gummischwanz durchvögelt. Manchmal ist auch ein Schluck Champagner aus dem Napf drin.

Auch wenn alle sehr schön aussehen: Hier haben wir wieder mehr Mensch als Model, was der Bekanntheit ihrer Namen aber keinen Abbruch tut: Bianca, Eve Ellis, Lisa, Louva, Nadya, Natasha, Sandra T., Serpila, Lucille Kallisto und Queeny Love und Lars als Stallbursche, der dann auch endlich mal zeigt, warum ein Mann ein Mann ist und was man damit macht.


Pure White Room
96 Minuten
EUR 69,00

Rubber Academy – Fetisch-Akademie Part 1
90 Minuten
EUR 69,00

Fetish Academy 2
90 Minuten
EUR 69,00

Fetish Academy 3
90 Minuten
EUR 69,00

Pongirls Part 1
90 Minuten
EUR 69,00

Pongirls Part 2
100 Minuten
EUR 69,00





Ganz nah dran – Bondage Project Doku
Was soll ich über einen Menschen schreiben, den ich täglich im Büro treffe, mit dem ich mich nicht selten heftig kabbele und ohne den mein Tag doch ziemlich öd und trist wäre? So schaute ich dann doch lieber einen Krimi nach dem nächsten, bevor ich die DVD »Ganz nah dran« einwarf. Und dann war ich gebannt. 137 Minuten lang. Ich sah nämlich die beste und wärmste Dokumentation über Menschen aus dem BDSM-Bereich seit langem. Menschen, die ich zwar gut zu kennen glaubte, die sich mir hier aber von einer ganz anderen Seite zeigen – sie sind in ihrem Element.
Bei den Dreharbeiten zu einem anderen Film hat Patrick Wanner aus der Schweiz das Bondage Project – Matthias (Drachenmann), Nicole (Jemina) und Anna (Capricious) – bei der BoundCon 2004 in München mit der Kamera begleitet. Aus diesem Material und später gedrehten Interviews hat er eine sehr persönliche Dokumentation über die Drei gemacht. Zwischen wunderschönen Bondage-Sequenzen und einfachen Momentaufnahmen an diesem Wochenende sind Interview-Teile eingestreut. Wir erfahren eine Menge Grundlegendes über Bondage und BDSM, aber ganz besonders gefallen hat mir die Offenheit, mit der auch Themen wie Beziehung, Liebe und Eifersucht angesprochen werden. Nur mit Liebe und Hingabe können diese intensiven spannungsvollen Momente miteinander entstehen. Es sind nicht einfach nur Show-Fesselungen, die zu sehen sind, es sind Tänze, Rituale, Erotik pur.
Drei Statements lasse ich einfach für sich sprechen:
»Ich muss nicht mehr nachdenken, was ich als Nächstes machen werde. Ich habe Bilder im Kopf, die meine Hände dann formen.«
»Bondage ist etwas Magisches. Ich bin auf den Kern reduziert, sehr nackt, gehalten vom Seil.«
»Es gibt auch sehr anzügliche und obzöne Positionen. Da genieße ich meine Macht. Ich fühle mich dann sehr frei im Seil.«

Ganz nah dran – Bondage Project Doku
137 Minuten
EUR 29,00

Geli



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