Kunst aus Schlagzeilen 80

Harald A. Jahn


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In meinen Fotos gibt es keine besondere Aussage, keine großartige Message oder irgendwas Gesellschaftskritisches. Es ist rein das Ästhetische. Diese Latex-Geschichten sind einfach wunderschön anzusehen, auch, dass der Körper abstrahiert ist.

Ich sehe meinen Partner und nicht nur das Gewand, das er trägt. Ich mag das Material. Ich fasse es selbstverständlich auch gern an. Ich sehe Frauen ganz einfach gern in Latex.

Deswegen mache ich ja die Fotos. Aber es ist natürlich schon die Person, die das trägt, interessant und der Mittelpunkt meiner Arbeit und nicht der 17te Fetzen oder das Latex-Top – so ein Fetischist bin ich nun auch wieder nicht.

Ich frage mich ja selbst auch immer wieder, was da in meinem Kopf passiert und was eigentlich der Kick ist. Ich muss quasi immer evaluieren, was ich mache, und das in Frage stellen.

Eine Foto-Session ist ja nicht Dokumentation. Das ist mehr eine Interaktion mit dem Model. Du musst dich auf jemanden einlassen und auf die Person reagieren. Es wird natürlich in irgendeiner Weise nah und intim. Du bist dann mit jemandem in einem abgeschlossenen Universum, und nach den ersten Fotos, nach dem »Warm-schießen«, ist es einfach eine gewisse Geschichte zwischen Fotograf und Model.

Durch die Kamera wird plötzlich etwas möglich, das sonst nicht möglich wäre. Das heißt, das Model fühlt sich der Kamera verpflichtet und produziert sich ein bisschen mehr, als sie das sonst machen würde. Die Kamera ist für mich ein Schild, hinter dem ich ein bisschen verdeckt bin, ich verschwinde hinter der Kamera.

Das heißt, das Model sieht mehr sich selbst und die Kamera als mich und fühlt sich ein bisschen getrieben, doch mehr preiszugeben, als wenn sie nur mit mir zusammen wäre. Das ist eine spannende Geschichte, weil die Kamera eben so ein Katalysator ist in dem »Sich-öffnen«. Die meisten Frauen lieben es einfach, betrachtet und damit bewundert zu werden. Sie fühlen sich auch geschmeichelt, wenn sie fotografiert werden.

Ich war früher Innenarchitekt, habe das aber aufgegeben, weil es zu wenig Geld gebracht hat. Hier (in dieser Galerie, Anm. der Red.) habe ich mich noch einmal mit einem eigenen Projekt ein bisschen verwirklicht und einfach geplant, ohne dass mir ein Auftraggeber reinredet. Das ist keine Hinterhof-Galerie oder ein Hinterhof-Fotostudio, sondern da ist Substanz, und zwar sowohl an gestalterischem Können als auch an geschäftlichem Hintergrund. Mein Hauptjob ist die Fotoagentur, das heißt, ich handle mit Foto-Lizenzen. (...)

Meine Idee von SM ist, dass ich forme, gegen den Willen, gegen den Widerstand einer Frau, sie zwinge, sich ganz aufzugeben, sich ganz aufzulösen und sich völlig zu öffnen, weil mich interessiert, was unter der Oberfläche ist. Ich finde auch den Konnex zwischen Menschen und Maschinen sehr interessant. Einfache Maschinen, die bei Menschen auf Knopfdruck einen Schwall von Gefühlen auslösen, Menschen und Maschinen, die eng verbunden sind, in Wechselwirkung treten, Cyborgs. Etwas, das ich auf Fotos schon lange machen will, aber aus Zeitgründen noch nicht verwirklicht habe. (...)

Aus einem Interview von Michi Wüst mit Harald A. Jahn



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