Es war einmal ... ?
Es war einmal eine Zeit in unserem Leben, da war sexuelle Begierde nicht nur vage Phantasie, sondern herrlich ausgelebte Realität, da war die dunkelste Lust kein Wunschtraum, sondern erfühlte, lustvoll zelebrierte Wirklichkeit. Es war einmal ... in unserer Jugend.
Die Jahre sind ins Land gegangen. Doch die Lust blieb. Geht es vielen so wie mir? Ich glaube schon. Wo sind sie hin, diese unvergleichlichen Nächte, diese Wochenenden voll purer Lust?
Dann kam die Zeit der Aufzucht des Nachwuchses, Windeln wechseln statt Fesseln anlegen, Babygeschrei statt Lustgestöhn. Ganz schnell hatte sich da was geändert. Aber es war wohlüberlegt und eine bewusste Entscheidung.
Die Jahre gingen weiter ins Land und die Kinder wurden größer und selbstständiger. Man brauchte keinen Babysitter mehr, und manchmal ging man auf eine »Party«. Doch so recht kam da keine Freude auf. Immer der Gedanke an die Kinder. Mir ging es zumindest so.
Jetzt sind die Kinder aus dem Haus, oder aber sie sind es bald. Doch diese Wünsche sind immer noch da. Und die Erinnerungen an die heißen, wilden Nächte.
Warum kann es nicht wieder so sein?
Sicherlich, da ist ein kleiner Bauchansatz, wo früher Waschbrettbauch, Knackarsch und breite Schultern die Mädels unruhig werden ließen. Da sind die Haare auf dem Kopf etwas lichter und die, die noch da sind, sind grau geworden. Da ist der Busen nicht mehr ganz so fest, der Hintern zeigt einige verdächtige Dellen und die Wespentaille ist nicht mehr ganz so schmal.
Na und? Bedeutet das, dass man keinen Anspruch auf Sex, richtig guten Sex mehr stellen darf? Keinen wilden Fick mehr durchstehen kann?
Wohl kaum! Wozu ist der immer noch harte Hammer denn da, wenn nicht dazu, ein williges weibliches Wesen zu beglücken? Wozu dienen die immer noch aufregenden Kurven, wenn nicht dazu, einem Kerl den Kopf zu verdrehen? Und wofür geht man in die Mucki-Bude, zweimal die Woche? Und wofür sieht man denn entsprechend wohlgeformt aus?
Und – darf nicht auch etwas weniger straffe Haut Lust darauf haben, den sanften Schmerz einer Reitgerte zu verspüren? Ist Lust, insbesondere Lust auf Peinigung, auf Demut, auf Fesselung, auf Schmerz, ein Vorrecht der Jugend? Dürfen wir in die Jahre gekommenen Sadomasochisten nicht mehr geil sein?
Warum, so frage ich mich, denn das?
Eher sollten wir die neue Freiheit nutzen, die Freiheit vom Kinderaufziehen, die Freiheit davon, Karriere machen zu müssen, die Freiheit davon, einen begehrten, aber unwissenden Partner nicht verschrecken zu wollen.
Egal, ob wir in einer Partnerschaft leben, oder Single sind, heute können wir Über-Vierzig-jährigen viel offener, gelassener und eben freier mit unserer Lust, mit unseren Begierden umgehen. Wir wissen, was uns Spaß macht und was nicht. Wir wissen, was wir wollen und was nicht. Und wir wissen, was anderen gefällt, wie man andere verwöhnt, und sei es eben durch Erniedrigung und Schmerz. Wir wissen aber auch, dass es keine unverantwortliche Perversion ist, geschlagen werden zu wollen, dass es keine Todsünde ist, in Fesseln zum Ficken »gezwungen« oder von seinem Partner einem anderen Lustmolch zur Verfügung gestellt zu werden. Kein schlechtes Gewissen mehr, weil man unter der Peitsche aufblüht, keine Panik ob »unkeuscher« Gedanken, keine Gewissenbisse, weil man mit einem unbekannten, aber so animalischen Fremden schläft.
Endlich können wir frei sein, das zu tun, wozu wir Lust haben, das abzulehnen, wozu uns nicht der Sinn steht, und einfach nur genießen. Wir können aussprechen, was wir brauchen, unserem Partner zeigen, worauf wir stehen, und auch ohne Probleme andere Spielgefährten in unsere Phantasiewelt einladen.
Sicherlich, einige glückliche Zeitgenossen haben nie aufgehört, ihre Träume zu leben, haben Karriere gemacht, die Lebenspartner gewechselt. Aber mal ehrlich: Wer mit Familie konnte schon seine dunklen Gelüste so richtig ausleben? Das konnten doch nur Singles oder kinderlose Paare. Wer hatte schon die Möglichkeit, die kleinen Scheißer wohlbetreut zu wissen und zugleich ohne Skrupel der eigenen Lust frönen? Wer hatte schon Zeit und Raum, mit neugierigen Kindern oder naseweisen Jugendlichen im Haus seinen Neigungen nachzugehen? Die Allerwenigsten.
Doch warum soll alles Vergangenheit sein? Warum nur träumen von alten Zeiten?
Zugegeben, es fällt etwas schwer, die gleiche Dynamik an den Tag zu legen, die gleiche Verwegenheit, die gleiche Risikobereitschaft. Doch bedeuten ein wenig mehr Vorsicht, ein wenig mehr Bedachtsamkeit, ein wenig mehr Überlegung, dass SM-Sex ausgeschlossen ist? Muss SM unüberlegt, hemmungslos und rücksichtslos sein? Ich meine: gerade eben nicht! SM-Sex bedarf der Planung, der Einsicht und der Einfühlsamkeit. Nur so ist einvernehmlicher SM-Sex überhaupt möglich und vor allem kann er so viel erfüllter sein. Wir haben als erfahrene Teilnehmer in diesem Spiel den unschätzbaren Vorteil, dass wir das Spiel genau kennen, alle gefährlichen Klippen, aber auch alle herrlichen Varianten. Also, nutzen wir diese unglaubliche Gunst!
Allerdings, ein Problem gibt es da für viele. Ihnen ist über die Jahre der Spielgefährte abhanden gekommen, sind die früher bestehenden Kontakte verloren gegangen. Sie heißt es wiederzubeleben, neue zu knüpfen und auch neue Gedanken und Ideen zu verfolgen. Gut, da gibt es die Szene, gibt es den Vorteil, dass SM heutzutage in den Medien präsent ist – doch hilft das uns wirklich weiter?
Ich für meinen Teil habe so meine Probleme mit der Szene, und vielen meiner früheren Bekannten geht es ebenso; denn häufig setzen sich Gruppen aus wesentlich jüngeren Leuten zusammen, bei denen es zumeist um andere Schwerpunkte geht, da sind extreme Formen des SM ein Thema, wie 24/7, Branding, extreme Analpraktiken oder Ähnliches. Wie soll sich da ein moderater SM-Mensch mit Vorlieben für Rollenspiele, verbale Erniedrigung oder Zierfesselungen wohlfühlen? Und zu groß sollte der Alterunterschied auch nicht sein. Nur wenige jüngere Leute spielen gerne mit Leuten, die ihre Eltern sein könnten. Und umgekehrt ist es ebenso. Aber kann es eine Lösung sein, die grauen SM-Tiger zu begründen? Ich finde: nein!
Doch zum Glück gibt es ja die Magazine, gibt es die Schlagzeilen. Hier ist der Markplatz der unkeuschen Gedanken, der Kontakthof der Begierden, der Basar der Lustbarkeiten. Hier kann jeder fündig werden, egal, ob er nun dominant oder devot, masochistisch oder sadistisch veranlagt ist, ob er hetero, homo- oder bisexuell ist oder zwischen allen Varianten gerne switcht. Gäbe es diese Möglichkeit nicht, müsste sie dringend erfunden werden. Gut, das Verhältnis der Geschlechter ist noch immer unausgewogen, sind Männer in der Überzahl, doch es wird besser, entdecken doch immer mehr Frauen die dunkle Seite ihrer Lüste. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Bleibt zu hoffen, dass viele in die Jahre gekommene SM-Menschen so denken. Der Gedanke, dass Sex nicht allein etwas mit Fortpflanzung und mit Jugend zu tun hat, setzt sich so langsam durch. Dass SM-Sex ebenso wenig ein Vorrecht für jüngere Leute ist, ist hoffentlich auch bald selbstverständlich. Doch noch, habe ich den Eindruck, ist dem nicht so ganz so. Überzeugen wir also unsere verlorengegangenen Weggefährten davon, dass sie ihre Bedürfnisse ausleben sollten, auch wenn jetzt die eigenen Kinder womöglich diese herrliche Welt bereits für sich entdeckt haben Auch für uns gilt immer noch der Satz:
(Ver-)Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume (aus)!