Vielleicht war die Forderung nach Texten, die keine verkappten Anzeigen sind, zu hoch gehängt, vielleicht fällt es besonders Männern leichter am Telefon oder per Brief über die negativen Erfahrungen und den Frust als Chiffrebewohner oder Beantworter zu reden, denn das passiert laufend.
Der eher zögerliche Eingang der Schwerpunkttexte lie uns fast an diesem Thema verzweifeln. Seit langem etwa 200 Kontaktanzeigen pro Heft und nur magere sechs Texte über Erfahrungen mit Kontaktanzeigen bis zum Redaktionsschluß?
Vielleicht hängt es immer noch mit dem alten Stigma der Kontaktanzeigen zusammen: nur wer es bitter nötig hat, gibt eine auf. Aber mal Hand auf's Herz, wer hat es noch nie nötig gehabt? Auch die SCHLAGZEILEN Redakteure haben sich schon als Anzeigenkunden auf den Boden der harten Anzeigenrealität begeben und sind mal mehr, mal weniger fündig geworden (von keiner Reaktion bis zur mehrjährigen Liebesgeschichte war alles drin).
Eine Szene, die immer unüberschaubarer wird, Menschen verstreut über das gesamte Bundesgebiet und massiert in den Ballungszentren, die aus ihrer Einsamkeit herauswollen, Sehnsüchte und unbefriedigte Wünsche wohin man schaut. Da in allen Zeiten erfüllte Sexualität eher Mangelware ist, sollten die ohnehin mageren Möglichkeiten diesen Mißstand zu beheben, nicht auch noch diffamiert werden.
Da gibt es Leute, die nicht zugeben mögen, da sie gleichzeitig auf mehrere Anzeigen antworten und so jede Antwort einzeln versenden, andere schicken einen riesigen Stapel und wissen hinterher nicht mehr, wem sie nun geantwortet haben, die nächsten geben immer die gleiche Anzeige auf und wundern sich, daß sie auch nach dem fünften Versuch keine Reaktion bekommen haben. Frauen klagen über zu viel, Männer über zu wenig Resonanz. Bei den vielen Unwägbarkeiten, Mißverständnissen und ärgerlichen bis verletzenden Erfahrungen scheint es fast an Wunder zu grenzen, wenn sich Leute über dieses Medium nicht nur zu einer Session finden, sondern sich sogar verlieben oder gar für's Leben finden.
SM hat viel mit den Phantasien zu tun, wie sie z.B. Günter Blum, der dieses Schwerpunktthema mit seinen Fotos schmückt, so hervorragend zu illustrieren versteht. Daß Männer dabei oft andere Wünsche wie z.B. die ausgefeilteren Fetisch-Vorstellungen als Frauen haben, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Wenn sich unter diesen unterschiedlichen Voraussetzungen Männer und Frauen treffen wollen, sollten sie nicht auf ihren sicher ehrenwerten Positionen verharren, sondern versuchen aufeinander zuzugehen, denn nur so entsteht Kontakt und schließlich geht es doch um "Kontakt"-Anzeigen, oder?
Wir haben uns mal wieder als kleine Statistiker versucht und die letzten SCHLAGZEILEN-Ausgaben ausgewertet. SCHLAGZEILEN 24 bis 28 enthielten insgesamt 908 Anzeigen, davon waren 881 Anzeigen echte Kontaktanzeigen, der Rest bezog sich auf Diverses (z.B. Auflösung der Spielzeugsammlung).
Nach Durchsicht der Texte ergab sich folgendes Ergebnis: 73% suchende Männer , 15% Frauen und 12% Paare, wobei nicht immer klar ist, ob sich hinter der Anzeige eines angeblichen Paares nicht vielleicht doch nur ein Mann alleine versteckt (man hört manchmal davon). In der Anfangszeit der SCHLAGZEILEN war das Verhältnis Männer/Frauen bei Anzeigen 10 zu 1 bis 8 zu 1, inzwischen ist es besser geworden nämlich 5 zu 1. Leider bekommen wir zu wenig Rückmeldungen darüber, wieviele Anzeigen wirklich ernst gemeint sind, aber das scheint sowohl bei Frauen als auch bei Männern ein Problem zu sein.
Die Verteilung der Antworten (insgesamt 2873) auf Anzeigen ist umgekehrt proportional, d.h. ca. 1650 Antworten kamen auf weibliche Angebote, 710 Antworten auf männliche und 490 auf Paarangebote. Statistisch gesehen ist also die Chance als Mann eine Antwort zu bekommen besser als 1:1 (einige Männer erhalten bis zu 7 Antworten und ca. 60% der männlichen Anzeigen bleiben unbeantwortet). Frauen erhalten fast immer mindestens 1 Antwort, das Maximum liegt im beobachteten Zeitraum bei 51 Antworten (im Durchschnitt erhalten die weiblichen Anzeigen zwischen 10 und 25 Antworten), auch hier gibt es eine Veränderung zu früheren Zeiten, in denen es normal war, da jede Frau mindestens 10 bis maximal ca. 150 Antworten bekam.
Kurz und gut, zwar haben sich die Zeiten gebessert, aber für einen Mann ist es immer noch mit mehr Enttäuschungen verbunden zu inserieren, als für eine Frau oder ein Paar.